Lebendiger Raum - oder: Der Kirchenraum im Wandel der Zeit (2)

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Der Kirchenraum im Wandel der Lebensumstände - Eine theologische Herausforderung
Unser Kirchenraum verändert sich stetig im Laufe des Kirchenjahres: die Paramente ändern ihre Farben, der Altar hat ständig wechselnden Blumenschmuck, vor Weihnachten kommt der Adventskranz dazu, sowie zu Ende Dezember der Weihnachtsbaum, usw. Auch äußerlich ist immer etwas anderes sichtbar: mal der Herrnhuter Stern über der Kirchentür, mal eine farbenfrohe Wimpelkette, die an der Kirchenfassade ein "buntes Zelt" aufspannt, ...

Das alles muss aber theologisch immer gut reflektiert sein. Dafür hat der Kirchenvorstand eigens einen Gottesdienstausschuss einberufen. Hier wird über Fragen des Gottesdienstes und es Kirchenraums eingehend nachgedacht, diskutiert und entschieden - vor allem, wenn das Ergebnis den Raum und damit das Gottesdienstgeschehen über einen längeren Zeitraum hinweg prägt - allzumal, wenn es sich um dauerhafte Veränderungen handelt.

Aktuelles Beispiel: Der Kirchenraum in der Pfingstzeit - oder: Ein energetisierend rotes Segel für das "Schiff, das sich Gemeinde nennt

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Manchmal gibt es aber auch kleinere, vorübergehende Veränderungen. Wer in der vergangenen Woche mal in der Kirche war, der hat gesehen, dass wir uns für die Pfingstzeit etwas ganz Spezielles haben einfallen lassen: Ein rotes Segel mit dem Symbol des Heiligen Geistes darauf spannt sich über den Gekreuzigten: Die Osterzeit kommt mit Pfingsten zum Ende, Jesus ist mit Himmelfahrt "entschwunden" und damit den Blicken entzogen - aber seine "Power" ist geblieben. Und damit wird das rote Segel zu einem doppelten Symbol: Rot als energetisierende Farbe der göttlichen Kraft - und das Segel am Kreuzesmast als Zeichen für das, was uns als Kirche vorwärts treibt. Denn zu Pfingsten soll das "Schiff, das sich Gemeinde nennt" noch einmal ganz besonders Fahrt aufnehmen: Die Gabe der "Heiligen Geistkraft" soll jede*n Einzelne*n stärken und ermutigen, mit Kreativität und Mut die Welt zu gestalten und somit die Frohe Botschaft hinauszutragen ... Und jede*r ist mit seinen/ihren Gaben gefragt, dazu beizutragen, dass das Segel unseres "Gemeindeschiffs" die nötige Schubkraft bekommt. (NB: Ein Grund mehr, sich regelmäßig in unserer Ehrenamtsbörse umzusehen! ;-)

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Und abends, wenn das Licht schwindet, dann ist unsere Kirche zusätzlich noch mit einem stimmungsvoll-auratischen roten Licht am Altar ausgestattet. Denn der Geist schläft nicht - sondern erleuchtet auch unsere tiefste Nacht mit seiner Lebensenergie!

 

 

 

Wie's weitergeht: Der Kirchenraum in Reaktion auf die Covid-19-Pandemie - oder: Der Leidende im Mittelpunkt ...
Der Kirchenraum ist ein Ort, der lebt und sich im Verlauf des Kirchenjahres immer wieder wandelt. Aber er sollte bestenfalls nicht nur auf das Kirchenjahr hin reagieren, sondern immer wieder auch auf die allgemeinen Lebensumstände. Und so beschäftigt den Gottesdienstausschuss aktuell ganz besonders die Frage nach der Gestaltung des Kirchenraums in Reaktion auf die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen. Noch "vor Corona" hatten wir zur Fastenzeit ein Bilder-Fasten eingeläutet: eine karge Raumgestaltung, die den Gekreuzigten in den Mittelpunkt stellt. Dabei wurden unter anderem die großen Dürer-Bilder ("Vier Apostel") abgehängt, die normalerweise das Kreuz flankieren. Eigentlich sollte dieses Bilder-Fasten nur bis Ostern dauern. Doch dann kam Corona - und veränderte alles. Und im Gottesdienst-Ausschuss wuchs der Gedanke, dass wir auch in der Kirchenraumgestaltung auf diese für uns alle schwierige Situation reagieren sollten. Daher wurden die Bilder zu Ostern doch nicht wieder aufgehängt. Corona hat einfach zu viel verändert, als dass wir unmittelbar wieder zur vorherigen Normalität zurückkehren könnten. Und so wurde nun in dieser Woche entschieden, für die kommende Zeit auch weiterhin den Gekreuzigten, also den Leidenden in den Mittelpunkt zu rücken.

... denn die Normalität kehrt nur langsam zurück ...

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Aber weil wir nicht noch viel länger auf die Dürer-Bilder verzichten wollten, werden sie nun vorrübergehend an einer anderen Stelle im Kirchenraum sichtbar sein: nämlich an den Seitensäulen (rechts und links), also näher am Betrachter. Damit wird der Leidende zwar auch weiterhin stärker in den Mittelpunkt gestellt als sonst. Aber dazu kommt nun ein neuer Akzent: Denn dadurch, dass die Bilder nun weiter in den "Besucherraum" hineinwandern, wird auch eine stärkere Identifikation mit den Aposteln gefördert. Und das macht durchaus Sinn: Denn mit die Erinnerung an die Apostel soll nach Pfingsten nicht nur die tote Asche der Vergangenheit beschwören, sondern vor allem das pfingstliche Feuer in uns wieder stärker entfachen: Wir selbst, als Jesu Jünger*innen, sind in den Dienst gerufen, die Frohe Botschaft zu verkündigen, sprich: die Welt zum Besseren hin zu gestalten. Und ist es in diesen Tagen nicht nötiger denn je, dass wir uns genau darum bemühen?

​Im September tagt der Gottesdienstausschuss von neuem, um dann wiederum die gegenwärtigen Lebensumstände zu reflektieren, und zu überlegen, wann es wieder an der Zeit ist, dass die Bilder an ihren angestammten Platz zurückkehren.